Dienstag, 25. Oktober 2016

Sexismus in der Pflege - eine pflegeplanerische Auseinandersetzung

Meine Lieben,
Unter # AufschreiSchweiz haben sich bereits einige bereits einige zum Thema Sexismus geäussert. Meist waren es Beispiele, wie und wo sie Sexismus erlebt haben. Diese Beispiele haben verärgert, haben schockiert, haben erstaunt und eine Diskussion ausgelöst. Eine Diskussion, die wichtig ist, die aus meiner Sicht jedoch weiter gehen muss. Nur Beispiele öffentlich zu machen ändert nur wenig bis nichts. Während ich diese las kam bei mir vor allem ein Gefühl auf: Hilflosigkeit. Nicht meine, sondern ich glaubte die Hilflosigkeit der Betroffenen zu spüren. Auch Pedro Lenz hat dies in seinem Artikel über das Thema (war in einer Zeitung, aber der Name fällt mir nicht ein) angetönt. Ihm ging es um das Servicepersonal, dass sich von Gästen bezüglich Sexismus so einiges gefallen lassen muss. Auch in meiner Welt kommt es vor, dass Pflegende diesem Phänomen ausgesetzt sind Ich könnte mich jetzt auch in diversen Beispielen (von mir als junge Pflegehexe erlebte und gehörten) auslassen. Aber als Pflegehexe bin ich es gewohnt die Dinge nicht nur beim Namen zu nennen, sondern sie auch anzugehen. Und zwar mit System. Mit einer Pflegeplanung.
In den Fokus stellen möchte ich dabei nicht jene, die Sexistische Handlungen (damit meine ich sowohl Worte sowie Taten) begehen, diese hatten in den letzten Tagen schon genug Plattform. Sondern jene, die diese Attacken (und es ist nichts anderes als das) hilflos ausgesetzt sind. Noch konkreter geht es bei dieser Pflegeplanung ausschliesslich um meist junge Pflegende und Lernende. Ich beobachte, dass sie es sind, die am meisten davon betroffen sind. Jetzt wo wir die Ausgangslage geklärt haben stellen wir die Pflegediagnose, natürlich nach NANDA (North American Nursing Diagnosis association) und im PES Format

Pflegediagnose
P (Pflegediagnose: Unwirksames Coping
Ich weiss, sämtliche nicht in der Pflegewelt lebenden Personen sagt jetzt `Hä?‘Ich werde euch jetzt nicht die offizielle Definition runterleihern. Denn auch darauf bekäme ich von Euch nur ein „Hä?“ Darum eine kurze situationsbezogene Erklärung meinerseits: In unserem Fall heisst unwirksames Coping, dass die betroffene Person keine oder ungenügende Strategien hat, um Sexismus etwas entgegen zu setzen.

E. (Ethiologie/ Ursache): Wissensdefizit der Betroffenen Person
Soweit, so klar oder?
S (Symptome): Grenzüberschreitungen werden schweigend und tatenlos hingenommen.
Auch das bedarf wohl keiner weiteren Erklärung
Damit sind wir aber noch nicht viel weiter, als alle anderen, die sich bisher mit dem Thema beschäftigten auch. Darum gehen wir sofort zum nächsten Schritt, der Zielsetzung.
Sich das Ziel zu setzten, niemand ist mehr Sexismus ausgesetzt ist zum einen zu ungenau, da auch nicht wirklich messbar, zum anderen völlig unrealistisch. Ich setze mir daher das Ziel:
Ziel: Pflegende verfügen über Strategien Sexismus zu begegnen und nutzen diese.

Kommen wir nun zu dem in diesem Thema wichtigsten Teil, den Massnahmen.
-          Achtsam sein, spüren ob ich den Spruch, die Berührung meines Gegenüber annehmen will.
Ich bin der Meinung, dass es der „Spruch – Berührungsempfänger (in der folge der Einfachheit halber nur noch Empfänger genannt) ist, welcher definiert, was Sexismus ist. Dazu ist es enorm wichtig, zu spüren, wo die persönliche Grenze liegt.

-          Grenzen setzen. Unmittelbar und unmissverständlich.
Die Reaktion muss sofort kommen. Nur dann hat auch der Sender eine Chance zu merken, dass er zu weit gegangen ist (und kann dann auch nicht sagen, er erinnere sich nicht mehr daran). Es braucht Mut, dies zu tun. Damit exponiert sich der Empfänger und riskiert als Mimose hingestellt zu werden. Aber mein maleviziarisches Statement ist: Lieber als Mimose gelten, als mir ständig Grenzüberschreitungen gefallen zu lassen. Und irgendwann gilt man nicht mehr als Mimose , sondern als Hexe und dann fängt der Spass erst so richtig an!
Wie kann diese Grenze gesetzt werden? Als sehr wriksam erlebe ich den Satz: „Ich möchte nicht, dass wir so miteinander kommunizieren.“ Und bei zu weit gehenden Flirtversuchen habe ich auch schon gesagt: „Solche Dinge will ich nur von meinem Merlin (Mann/Freund) hören.“

-          Unterstützung anfordern
Betroffene müssen nicht alleine kämpfen und dies auch nicht einfach still hinnehmen. Es hat den Vorgesetzten zu interessieren, wenn sich ein Patient so verhält und er soll auch eingreifen, wenn Pflegende der Situation nicht selbst Herr werden. Auch Arbeitskollegen können eine gute Unterstützung sein.

-          Sich schützen
Für mich ein wichtiger Schutz ist mein Name. Ich bin mit keinem Patienten per Du. Ich bin immer Madame. Dies gibt schon eine gewisse Grenze. Sprüche im Du Stil kommen den Sendern eher über die Lippen. Ich korrigiere ein Du auch, wenn es nicht ein „versehentliches“ ist. Ich bin auch nicht das „Engeli und Schätzeli“ so lieb das gemeint sein kann, es ist nicht die Form von Beziehung, die ich mit meinen Patienten pflegen möchte. Ich darf mich auch aus einer Situation heraus nehmen, und zB. eine Körperpflege unter – oder abbrechen, wenn ein Patient sich übergriffig benimmt. Wichtig ist aber, dies dem Sender gegenüber zu deklarieren: „Ich akzeptiere Ihr Verhalten mir gegenüber nicht, deshalb unterbreche ich die Körperpflege jetzt.“ Und nach einiger Zeit wieder das Gespräch suchen, die Erwartungen klar kommunizieren.

Dies ist meine individuelle Pflegeplanung zu diesem Thema. Gewiss gäbe es noch vieles hinzu zu fügen. Die Aktion #AufschreiSchweiz hat dazu geführt, dass über dieses Thema gesprochen wird, dafür bin ich dankbar. Aber es muss weiter gehen. Um eine genauere Begriffsdefinition werden wir nicht herum kommen. Noch wichtiger erscheint mir jedoch Frauen und Männer darin zu unterstützen, Strategien zu entwickeln sich vor übergriffigem Verhalten egal welcher Couleur zu schützen oder es sofort zu unterbinden. Je häufiger die Grenze unmittelbar und klar gesetzt wird, desto weniger wird sie angezweifelt.

Und so wünsche ich Euch allen nun Gesundheit, sie ist das höchste Gut, das keiner kaufen kann.

In Liebe Eure

Madame Malevizia

Freitag, 21. Oktober 2016

Manifest der Madame Malevizia


Im Juni 2016 habe ich beschlossen, dass ich mich zeigen und mich einsetzen will, für eine Sache, die mir am Herzen liegt.
Ich bin Pflegehexe, oder wie mein Pseudonym sagt: Pflegefachfrau. Das ist meine Berufung. Genauso wie ein Künstler nicht ohne seine Kunst und ein Sportler nicht ohne seinen Sport sein kann, kann ich nicht ohne das sein, was man Pflege nennt.
Pflege umfasst nach ICN: (International Council of Nurses) die eigenverantwortliche Versorgung und Betreuung, allein oder in Kooperation mit anderen Berufsangehörigen, von Menschen aller Altersgruppen, von Familien oder Lebensgemeinschaften sowie Gruppen und sozialen Gemeinschaften, ob krank oder gesund, in allen Lebenssituationen (Settings). Pflege umfasst die Förderung der Gesundheit, die Verhütung von Krankheiten und die Versorgung und Betreuung kranker, behinderter und sterbender Menschen. Weitere Schlüsselaufgaben der Pflege sind die Wahrnehmung der Interessen und Bedürfnisse (Advocacy), die Förderung einer sicheren Umgebung, die Forschung, die Mitwirkung in der Gestaltung der Gesundheitspolitik sowie das Management des Gesundheitswesens und in der Bildung."
(Offizielle, von Berufsverbänden Deutschlands, Österreichs und der Schweiz konzertierte Übersetzung) Quelle: SBK Homepage.
Das sind trockene Worte, und sie beschreiben auch nur annähernd, was Pflege für mich ist: Es ist meine Bestimmung, das zu tun.
Zunehmend werde ich jedoch daran gehindert, das was ich liebe, so zu tun, wie ich es gelernt habe und wie ich es von Herzen tun möchte
Es fühlt sich an, wie für den Kunstmaler, der zwar malen kann, aber nicht mehr alle Farben zur Verfügung stehen. Oder den Musiker, der Musik machen kann, aber sein Instrument er nicht mehr hat. Oder der Sportler, dem sein Sportgerät entwendet wird.
Folgendes ist geschehen oder geschieht:
Es herrscht die fixe Idee, dass Spitäler und andere Gesundheitseinrichtungen gewinnbringend sein müssen. Die Folgen davon sind Sparmassnahmen, die ethisch und moralisch kaum mehr vertretbar sind. Die Aufenthaltsdauer der Patienten wird nicht mehr durch ihre Erkrankung definiert, sondern ist durch DRG(Diagnosis Related Group) und ihre Krankenversicherung vorgegeben. Da die Personalkosten immer am meisten ins Gewicht fallen, wird auch hier gespart und gekürzt was das Zeug hält. Beides erschwert die Arbeit der Pflegenden um ein vielfaches. Der Spardruck wird direkt an sie weitergegeben.
Frustriert und desillusioniert werfen viele Pflegende ihren Job hin, weil sie ihn nicht so ausüben können, wie sie es gelernt haben. Andere geben auf, weil sie keine Kraft mehr haben und ihre eigene Gesundheit auf dem Spiel steht.
In der Öffentlichkeit wird unser Beruf auf „Füdle putze“ und dem Arzt zudienen  reduziert oder auf „halbheilige“ barmherzige Schwestern hochstilisiert. Beide Bilder sind schlicht falsch, sorgen jedoch dafür, dass Pflegende gar nicht auf die Idee kommen, dass sie in gesundheitspolitischen Fragen Stellung beziehen und ihre Rechte einfordern könnten. Das Studium Pflege wird im Vergleich zum Medizinstudium noch immer als minderwertig angesehen.
Daraus wächst stetig ein Fachkräftemangel, der auch der Öffentlichkeit mittlerweile auffällt. Die bisher diskutierten Lösungsvorschläge, Personal aus dem Ausland, Flüchtlinge oder das Militär einsetzen, sind allesamt unbrauchbar.
Ich werde in der Ausübung meines Berufes behindert. Ändert sich nichts, wird Pflege, wie sie vom ICN definiert wird, bald nicht mehr möglich sein.
Es liegt nicht an den Spitälern und Gesundheitseinrichtungen selbst. Es sind die Ignoranz und die fehlende Unterstützung der Pflegenden, die dieser Entwicklung Vorschub leisten. Für diesen Zustand mache ich unsere Politikerinnen und Politiker verantwortlich!
In sämtlichen Parteien ist das Thema Gesundheitspolitik inexistent. In den letzten Jahren gab es lediglich eine (!) parlamentarische Initiative, die sich mit dem Fachkräftemangel in der Pflege befasste. Offenbar hat kein Politiker und auch keine Partei den Mut sich bezüglich Gesundheitspolitik zu exponieren.
Werden gesundheitspolitische Themen besprochen gibt es genau zwei Gruppen, die das Sagen haben: die Krankenkassen und die Ärzteschaft. Dies hat sich auch in der Initiative zur gesetzlichen Anerkennung der Verantwortung der Pflege eindrücklich gezeigt.

Und so habe ich, Madame Malevizia Magissa Mageia Coldovara Karolevine Witch, beschlossen:
Ich werde das nicht mehr länger hinnehmen!
*   Ich will, dass die Öffentlichkeit weiss, was ich als Pflegende erlebe und wie ich zu den meinen Beruf betreffenden Themen stehe!

*   Ich will, dass Pflegende ihren Beruf so ausüben können, wie sie es gelernt haben und wie sie es von Herzen tun wollen!

*   Ich will, dass Pflegende die Anerkennung und die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, um in ihrem Beruf gesund bleiben zu können!

*   Ich will, dass Pflegende den Mut haben, für ihren Berufsstand einzustehen!

*   Ich will, dass Pflegenden in der Öffentlichkeit und in den Einrichtungen in denen sie arbeiten, der Respekt entgegen gebracht wird, der ihnen zusteht!

*   Ich will, dass Berufsanfänger/Innen ihren Platz in der Berufswelt finden und ihre Rolle als Pflegende leben können.
Ich bin mir bewusst, dass dies ambitionierte Ziele sind. Doch die allerlängste Reise beginnt mit dem ersten Schritt.
Und so werde ich alles in meiner Macht stehende tun um diesen ersten Schritt zu bewirken.

·        Ich werde erzählen, was ich als Pflegehexe erlebe und erlebt habe.

·        Ich werde mich zu politischen Themen äussern, in meinem Blog, auf meiner Homepage und wo auch immer ich die Möglichkeit dazu habe.

·        Ich werde mit Briefen Politiker und andere öffentliche Personen auffordern, sich für die von mir genannten Forderungen stark zu machen und an deren Erreichung aktiv mitzuwirken.

Als Pflegehexe will ich unabhängig sein von politischen Parteien oder Berufsverbänden, nehme mir jedoch die Freiheit, jene zu unterstützen, die meine Absichten und Forderungen teilen.
Im Moment gehe ich die ersten Schritte dieses Weges noch alleine. Doch jede/r Einzelne/ jede Einzelne ist mir willkommen, um gemeinsam für die in diesem Manifest genannten Ziele zu arbeiten.
Es liegt in meiner Natur, die Dinge beim Namen zu nennen. Der Respekt gegenüber  anderen Menschen und deren Würde werde ich jedoch niemals ausser Acht lassen.
Der sachlichen Konfrontation  will ich mich stets stellen, persönliche Angriffe mir als Person gegenüber werde ich jedoch nicht akzeptieren.
Ich habe mir eine grosse Aufgabe gestellt, um sie erfüllen zu können, ist es wichtig, dass ich meine Kräfte aufteile und auf mich und meine Gesundheit achte.

Als Pflegende bezeichne ich alle Pflegefachpersonen, Fachpersonen Gesundheit und Assistentinnen Gesundheit, sie alle leisten einen wichtigen Beitrag in unserer Berufswelt.
Bern, im August 2016